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„Man sollte Apps als Werkzeuge betrachten“

Welche Chancen bringt die Digitalisierung für Handwerksbetriebe mit sich? Und welche Gefahren? Ein Gespräch mit Philipp Lehmkuhl, Leiter Digitale Transformation & Unternehmensanalysen bei Mewa.

Herr Lehmkuhl, Handwerk ohne Internet ‒ geht das heute noch?

Ganz ohne Netz arbeitet heute doch keiner mehr. Die Frage ist also eher: Ist es sinnvoll mehr zu machen, als nur eine eigene Webseite zu haben und ein Smartphone zu benutzen? Das ist eine Frage der Perspektive. Wenn ein Betrieb sagt: „Ich habe noch zehn Jahre, und wenn da der Auftragseingang schrumpft und ich auch ein wenig ineffizient arbeite, halten wir das auch noch aus, dafür spare ich mir den Aufwand mein Geschäft zu digitalisieren“ ‒ dann wäre das nachvollziehbar. Wer aber vorhat, ein Unternehmen auch in Zukunft gesund zu führen, oder es an die nächste Generation zu übergeben, der kommt nicht an der Digitalisierung vorbei.

Trotzdem gibt es gerade im Handwerk noch immer viele Betriebe, die das Thema scheuen. Warum?

Ich glaube, viele Handwerksbetriebe halten digitale Tools immer noch für Spielzeug. Das liegt meiner Meinung nach daran, dass sich keiner ausreichend Zeit nimmt, um sich mit den Vorzügen und Effizienzgewinnen zu beschäftigen. Sie zahlen lieber jeden Tag zusätzlich Personalkosten anstatt ein paar Euro für ein Programm, das die Arbeit extrem erleichtern würde – da es eben erst einmal Mühe macht, geht es im Alltagsgeschäft – das schon stressig genug ist – oftmals unter.

Inwiefern kann Digitalisierung Handwerksbetrieben Arbeit erleichtern?

Es gibt zum Beispiel viele hilfreiche Apps, die bei Themen wie Einsatz- und Personalplanung helfen. Auch Materialbestellungen und Buchhaltung können heute automatisiert und per Smartphone erledigt werden. Das sind alles Dinge, die früher nach Feierabend erledigt wurden, oder man brauchte Angestellte dafür.

Früher gab es die Gelben Seiten, heute gibt es Google. Wer dort nicht erscheint, hat schlechte Karten.

Philipp Lehmkuhl, Leiter Digitale Transformation & Unternehmensanalysen bei Mewa
Warum ist es so wichtig, digitaler zu werden? Genauer: Wofür brauche ich überhaupt Apps, wenn ich Rohre repariere?

Nun ja, wie eben beschrieben. Wer digital aufgestellt ist, kann Termine automatisiert online vergeben. Einsatzorte optimiert planen – Dinge, die heute auch passieren, aber mehr Zeit kosten. Faktisch heißt das für kleine und mittlere Unternehmen, dass ihr Geschäft gut weiter wachsen kann und sie nicht an der Hürde scheitern, qualifiziertes Personal zu finden. Das heißt, der Umsatz im Verhältnis zu den Personalkosten wächst. Natürlich braucht man trotzdem ein Backoffice, aber anders. Und es muss nicht parallel zum Geschäft mitwachsen. Sie haben also ein technologiebasiertes Wachstum – wenn man so möchte.

Gehen wir mal von Handwerksbetrieben mit zehn bis 50 Angestellten aus. Digital zu sein hilft diesen Betrieben zunächst erst mal, ihre Koordination und Effizienz zu steigern über Koordinierungstools, über Automatismen, sogar über künstliche Intelligenz. Teilweise wissen die Unternehmen wahrscheinlich gar nicht, dass sie das schon nutzen. Das andere ist natürlich auch die Vertragsanbahnung und die Vertragsabwicklung, die möglicherweise leichter wird. Früher gab es die Gelben Seiten, heute gibt es Google. Wer dort nicht erscheint, hat schlechte Karten. Eine Homepage reicht eben nicht mehr – Google ist ein Marktakquisitionsinstrument, das man in Gebieten und Segmenten, die passend zur Geschäftsstrategie sind, gezielt einsetzen kann. So findet man Kunden, die zu einem passen.

Was sind denn Herausforderungen, welche Ängste gibt es?

Das mit den Ängsten ist ein schwieriges Thema, weil da tatsächlich auch die Mentalität der Menschen mit reinspielt ‒ insbesondere in Deutschland. Wenn man mit Kollegen im Ausland spricht, sind sie Veränderungen gegenüber oftmals etwas offener. Robotertechnik wird wichtiger werden und künstliche Intelligenz. Aber das wird unsere Arbeit nicht überflüssig machen, nur anders und besser. Digitale Werkzeuge sind halt auch Werkzeuge. Wenn man sie als solche betrachtet, sollten diese Werkzeuge genauso positiv angenommen werden, wie ein neues mechanisches Werkzeug.

Was sind die wichtigsten ersten Schritte, um einen Betrieb digital aufzustellen?

Das sieht bei einem Lackierbetrieb bestimmt anders aus als bei einer Werkstatt. Deshalb gibt es da nicht den einen Fahrplan. Man sollte zunächst eine Grundanalyse durchführen: Wo hakt es im Unternehmen? Was sind die Dinge, die nicht optimal laufen? Was sind meine täglichen Schmerzpunkte? Diese Dinge sollte man aufschreiben und dann schauen, ob es bereits digitale Lösungen gibt, die helfen könnten. Einfach mal bei Google recherchieren – dort findet sich meist schnell etwas.

Gefühlt gibt es dauernd neue Apps und neue Trends. Wie schafft man es, den Überblick zu behalten?

Leider gibt es kein Abo, das das leisten könnte … und natürlich ist das immer auch branchenspezifisch. Fachzeitschriften sind sicher ein gutes Informationsmittel, aber auch Blogs oder sogar Youtuber, die zu Spezialgebieten informieren. Ich persönlich lese täglich Artikel, auch solche, die andere auf Plattformen wie LinkedIn posten. Aber jeden Tag Zeit investieren kann ein Handwerker nicht ‒ und das muss er auch nicht. Es reicht, sich gezielt einmal mit dem Thema zu beschäftigen und dann konkrete Aufgaben abzuleiten und diese anschließend umzusetzen. Das sollte man ein bis zwei Mal im Jahr wiederholen und so einfach starten.

Als Leitung der digitalen Transformation bei Mewa: Haben Sie noch einen grundsätzlichen Tipp für die Leserinnen und Leser?

Grundsätzlich kann ich nur sagen: Wer sich mit Digitalisierung nicht beschäftigt, wird mit seinem Unternehmen früher oder später echte Nachteile gegenüber der Konkurrenz haben. Egal ob klein oder groß. Digitalisierung steigert die Effizienz, macht das Leben leichter und spart Kosten. Wie gesagt: Man sollte digitale Werkzeuge wie andere Werkzeuge auch betrachten und einfach anfangen, sie zu nutzen. Mit der Zeit bekommt man Übung und es wird zur Gewohnheit. Die Effizienzsteigerung stellt sich dann von ganz alleine ein.

Vielen Dank für das Gespräch!

Philipp Lehmkuhl
Das Interview wurde geführt mit Philipp Lehmkuhl, Leiter Digitale Transformation & Unternehmensanalysen bei Mewa.

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