Ohne die Inspiration von Berufsbekleidung sähen unsere Kleiderschränke heute anders aus. Über die Geschichte der Arbeitsjacke und ihren Einfluss auf die Mode.
Westen von Müllmännern, T-Shirts von Pizza-Lieferanten: Workwear-inspirierte Mode ist aktuell en vogue, ob auf der Straße in London, bei Berliner Hipster-Labels oder auf dem Laufsteg in Mailand. Der neueste Schrei ‒ und trotzdem ein alter Hut, denn dass Elemente aus der Berufsbekleidung in der Mode Anklang finden, hat Tradition. Eigentlich ist fast jeder Klassiker einmal für die Arbeit entwickelt worden: der Trench fürs Militär, der Hoodie für Arbeiter in Kühlhallen, die Schlaghose für Zimmermänner, die Jeans für Goldgräber. Innovation kam in der Mode über Jahrhunderte über Bedürfnisse in der Funktion.
So findet man in den meisten Fashion-Kollektionen heute auch Inspirationen der historischen Arbeitsjacke. Die aufgesetzten Taschen und der kastige Schnitt sind zum Klassiker geworden, der immer gerne von Designern modifiziert wird. Besonders beliebt sind Variationen der „bleu de travail“, einer kastigen blauen Jacke, die Fabrikarbeiter in Frankreich Ende des 19. Jahrhunderts trugen. Ähnlich einem Hausmeisterkittel war sie aus Baumwolle gefertigt und mit einer einfachen Knopfleiste versehen.
Blau tragen statt blaumachen
Dass diese Fabrikarbeiterjacken, genau wie der klassische Blaumann, ausgerechnet blau waren, ist kein Zufall: Schon im Mittelalter erkannte man den Stand oder Beruf eines Menschen an der Farbe seiner Kleidung. Gelb, Grün und Rot waren teuer und dem Adel vorbehalten. Auch Blau war lange teuer ‒ bis 1800 die Globalisierung voranschritt und Indigo zugänglicher wurde. Blau wurde zum Erkennungszeichen der Arbeiter: Die Farbe der Jacke war nicht nur praktisch und unempfindlich, sondern sollte Fabrikarbeiter auch von ihren Vorgesetzten unterscheiden, die weiße oder graue Jacken trugen.
Von der Jacke zur Schutzhülle
Weiß ging es jedoch nicht nur bei Vorarbeitern zu, sondern auch in vielen Küchen: Eine der ikonischsten Arbeitsjacken neben der der Fabrikarbeiter- ist die Kochjacke. Als Bedienstete trugen Köche zunächst über Jahrhunderte Kleidung aus Naturfasern wie Leinen oder Flachs. Der Schnitt hatte keine besonderen Merkmale. Im 19. Jahrhundert dann wurde Baumwolle für die Fertigung der Jacken populärer. Der Franzose Antoine-Marie Carême erhob sein Handwerk zur Kunst und veröffentlichte sein Standardwerk „Le Maître d’hôtel français“ ‒ ein Buch, das bis heute gedruckt wird. Darin sind Köche erstmals in den uns vertrauten Jacken abgebildet: weiß, mit den typischen zwei Knopfreihen und Stehkragen.
Zahlreichen Innovationen haben wir es zu verdanken, dass Arbeitsjacken heute deutlich mehr Abwechslung bieten als ihre schlichten Vorgänger. Durch robuste Stoffe und ergonomische Schnitte schützen Arbeitsjacken heute nicht nur gegen Schmutz, sondern ‒ je nach Anforderungen ‒ auch gegen gefährliche Chemikalien oder Funken und Flammen. In Fabriken sorgen so Hightech-Hüllen dafür, dass der Körper unversehrt bleibt. Und Jacken für Köche werden heute in einem Materialmix aus Baumwolle und Kunstfaser gefertigt, der deutlich robuster und langlebiger ist. Asymmetrische Schnittführung oder neue Kragenlösungen sorgen für Abwechslung.
Auch was die Farben betrifft, hat sich einiges getan: Eine Kochjacke muss nicht mehr weiß sein und die des Fabrikarbeiters lange nicht mehr nur blau. Nur schützen und ihren Zweck erfüllen, das müssen sie nach wie vor. Und das tun sie ‒ dank zahlreicher Weiterentwicklungen im Material ‒ heute auch mehr denn je.